Ein Zusammenhang zwischen COVID-19 und Haarausfall ist kaum zu erwarten - schließlich verursacht das Coronavirus eine Atemwegserkrankung. Doch immer mehr Menschen berichten über Haarverlust als Folge der Krankheit.
Für Ärzte ist dieser Haarausfall keine Überraschung und wird als Telogeneffluvium bezeichnet. Das ist ein vorübergehender Zustand, der sich auf den Wachstumszyklus der Haarfollikel auswirkt. Telogeneffluvium kann durch physiologischen Stress verursacht werden, z.B. nach einer Krankheit, hohem Fieber, einer Operation, einer Geburt oder nach einem schweren psychologischen Stressfaktor, wie dem Verlust eines geliebten Menschen. Der diffuse Haarausfall manifestiert sich typischerweise etwa drei Monate nach dem stressigen Ereignis, und betrifft sowohl Männer als auch Frauen.
Um nachzuvollziehen, warum Haarausfall nach Covid-19 auftreten kann, hilft es, zunächst den Haarwachstumszyklus zu verstehen. Jedes Haar durchläuft einen Lebenszyklus mit 3 Phasen:
- Die Anagenphase (Wachstumsphase) - die Haare werden im Follikel in der Kopfhaut gebildet und werden länger und dicker. Diese Phase dauert etwa 2-6 Jahre.
- Die Katagenphase (Übergangsphase) - die Zellteilung sowie die Nährstoffversorgung des Haares werden eingestellt. Diese Phase dauert ca. 2 Wochen.
- Die Telogenphase (Ruhephase) - in dieser Phase fällt das Haar schließlich aus. Sie dauert ca. 3 bis 4 Monate.
85 - 90 % aller Kopfhaare befinden sich in der Anagenphase. 1 - 2 % der Haarwurzeln sind in der Übergangsphase. Etwa 10 % unserer Haare befinden sich in der Telogen- oder "Ruhephase", d.h. in der Phase, in der unsere Haare normalerweise ausfallen. Normalerweise verliert jeder Mensch 50 bis 100 Haare pro Tag. Beim Telogeneffluvium geht ein größerer Teil der Haare in die Telogenphase über.
Zwar gibt es keine Hinweise auf einen Coronavirus-spezifischen Mechanismus, der Haarausfall auslöst, doch kann jede schwere Krankheit zu einem Telogeneffluvium führen - und COVID-19 fällt bestimmt in diese Kategorie.
Zu den Symptomen von COVID-19 gehört hohes Fieber, das mit dem Telogeneffluvium in Verbindung gebracht wird. Auch das Stresshormon Cortisol wird während einer schweren Erkrankung in höheren Mengen freigesetzt. Das wiederum führt zu einem beschleunigten Haarausfall. Sogar der psychische Stress durch die Ansteckung mit dem Coronavirus kann ein Telogeneffluvium verursachen.
COVID-19 hat eindeutig vielen von uns Stress verursacht, und zwar nicht nur physiologisch. Die Konsequenzen der Covid-19-Pandemie haben auch finanziellen Stress sowie Ängste und Probleme im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung verstärkt.
Normalerweise hält der stressbedingte Haarausfall bis zu sechs Monate an. Es ist im Grunde genommen ein Geduldsspiel, denn die Haare werden sich allmählich wieder regenerieren. Wer keine Geduld hat, kann eine Minoxidil 5%-Lösung anwenden. Dieser Wirkstoff verkürzt den Wachstumszyklus der Haare, indem er die ruhenden Haare dazu anregt, in die Anagenphase überzugehen und wieder zu wachsen.