Anti-aging : Können wir das Altern wirklich verlangsamen – ja sogar zurückdrehen? – A. Huberman und David Sinclair

Harvard-Genetiker David A. Sinclair erklärt im langen Gespräch mit Andrew Huberman, warum Altern ein „Informationsproblem“ sein könnte – und welche Alltagshebel er selbst zieht.

von Lars Rosenthal
 

Die große Idee: Altern als Informationsproblem

Sinclair beginnt ohne Umwege. Für ihn ist Altern nicht das Unabwendbare, sondern die Hauptursache der großen Alterskrankheiten – und damit prinzipiell beeinflussbar. Sein Leitbild ist einfach genug, um auf einen Notizzettel zu passen: Die DNA – die digitale „Musik“ – bleibt weitgehend intakt; der „Player“, das Epigenom, bekommt Kratzer. Wenn diese Steuerung der Genaktivität aus dem Takt gerät, „vergessen“ Zellen ihre Aufgabe; Funktionen lassen nach.

„Altern ist eine Krankheit – und sie ist behandelbar.“

— David A. Sinclair

 

Das ist der rote Faden, der durch das gesamte Gespräch mit Andrew Huberman läuft: Steuerung bewahren oder wiederherstellen – durch Alltagsrhythmen, gezielte „Pulse“ von Stress und, in der Forschung, durch das zeitweilige Zurücksetzen epigenetischer Programme.

Eine Uhr, die man sehen – und messen – kann

Damit das nicht abstrakt bleibt, verweist Sinclair auf epigenetische „Uhren“, die chemische Markierungen an der DNA auslesen und daraus ein biologisches Alter schätzen. Auch das Gesicht – von KI ausgewertet – spiegelt nach seiner Darstellung oft das innere Tempo des Alterns. Wichtig ist ihm, diese Messung zu „demokratisieren“: Mundschleimhaut-Abstrich, klarer Report – und dann routinen testen statt raten.

Wann du isst > Was du isst

Der praktischste Hebel ist so altmodisch wie wirksam: Zeit. Sinclair erzählt von einer großen NIH-Studie an Mäusen (Team um Rafael de Cabo): Über 10.000 Tiere bekamen unterschiedliche Makronährstoff-Mischungen – länger lebten vor allem die, die nur in einem engen Fenster fraßen, teils eine Stunde am Tag, obwohl die Gesamtkalorien ähnlich waren. Seine pointierte Folgerung: Oft zählt das Wann mehr als das Was.

Im Alltag heißt das für ihn: täglich eine Mahlzeit auslassen – am besten am Anfang oder am Ende des Tages, damit der Schlaf die Fastenphase verlängert. Er selbst lässt das Frühstück weg, nimmt morgens nur „einen kleinen Löffel Joghurt oder Olivenöl“, damit fettlösliche Stoffe aufgenommen werden, und trinkt über den Tag Wasser/Tee. Die ersten zwei bis drei Wochen sind erfahrungsgemäß die härtesten; danach beschreibt er stabile Energie ohne Nachmittagseinbruch. Abends gibt es eine normale, eher pflanzenbetonte Mahlzeit, Fisch gelegentlich, rotes Fleisch selten.

Überspringe eine Mahlzeit am Tag – am Anfang oder Ende. Die Nacht streckt dein Fasten.“

— David A. Sinclair

Zum Thema „Fastenbruch“ bleibt Sinclair pragmatisch: Ein Kaffee mit einem Schuss Milch, ein kleiner Löffel Joghurt oder etwas Olivenöl – das zerstört seiner Meinung nach nicht den Sinn der langen Essenspause. Entscheidend sei das große Zeitfenster ohne viele Kalorien.

Manchmal geht er weiter und fastet 48–72 Stunden. Er verweist auf Arbeiten, die zeigen, dass tiefe zelluläre „Aufräumprogramme“ (etwa bestimmte Formen der Autophagie) ab Tag zwei bis drei richtig greifen. Das ist nichts für jede Woche – eher ein gelegentlicher Reset.

Pulse statt Perfektion

Wer Sinclair zuhört, merkt ein Muster: Phasen von Herausforderung, dann Nährung. In frühen Daten aus seinem Umfeld verlängerte jeden zweiten Tag gegebenes Resveratrol bei Mäusen auf Normaldiät die Lebensspanne stärker als tägliche Gabe. Die Praxis übersetzt er in Fastenfenster, Training und gezieltes Timing von Substanzen – ohne Dogma.

Treibstoff für die Reparatur: NAD⁺, Sirtuine – und Timing

Biochemisch kreist vieles um ein kleines Molekül: NAD⁺, den „Treibstoff“ der Sirtuin-Enzyme. Mit dem Alter sinkt NAD⁺, während ein abbauendes Enzym (CD38) steigt – eine „Doppelkeule“. Sinclair sagt sinngemäß: Du kannst das Gaspedal (Sirtuine) durchtreten, aber ohne Sprit (NAD⁺) fährt das Auto nicht. Also: Enzyme anschalten und den Treibstoff bereitstellen.

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Sein persönliches Protokoll (keine Empfehlung): Morgens etwa 1 g NMN (Nicotinamid-Mononukleotid) – ebenso sein 82-jähriger Vater –, weil NAD⁺ zirkadian schwingt und morgens natürlicherweise höher ist. Spät am Abend würde er keine NAD⁺-Vorstufen nehmen („das kann den Rhythmus stören“). Auf Reisen nutzt er morgens einen „NMN-Boost“, um Jetlag zu dämpfen.

Zu den Effekten verweist er auf noch unveröffentlichte klinische Messreihen mit Dutzenden Personen: Nach rund zwei Wochen NMN seien die NAD⁺-Spiegel im Blut im Schnitt verdoppelt. Warum NMN statt NR/B3? In seiner biochemischen Lesart bringt NMN die Bauteile „in einem Schritt“ mit; kleinere Vorstufen müssen u. a. Phosphat „sammeln“. In Kopf-an-Kopf-Tests an alten Mäusen steigerte NMN die Ausdauer (~50 %), während NR in gleicher Dosis nicht überzeugte.

Bei der Qualität achtet er auf GMP und eine weiße, kristalline NMN-Form – „schmeckt wie verbranntes Popcorn“ – und nimmt alles morgens.

Das Rotwein-Molekül – ohne den Wein

Resveratrol gehört weiterhin zu seinem Alltag: etwa 1000 mg morgens – und mit Fett, sonst ist die Aufnahme schwach. „Wenn das Pulver braun ist, weg damit“ – das deute auf Oxidation/Verunreinigung (und oft Durchfall). Rotwein reicht dafür nicht: „Man bräuchte ungefähr 200 Gläser pro Tag.“ Er hat eigene Messungen erwähnt, nach denen die Blutspiegel fünffach höher waren, wenn er Resveratrol mit Nahrung statt mit Wasser nahm. Inzwischen rührt er es oft in Olivenöl (manchmal mit Essig und Basilikum) – „wie Salatdressing trinken“.

Das Diabetes-Medikament – mit Vorbehalt (Metformin & Berberin)

Sinclair nimmt Metformin morgens, lässt es aber an Trainingstagen weg. Die Netzaussage, Metformin „zerstöre“ grundsätzlich Muskelaufbau, hält er für überzogen: Man mache an dem Tag womöglich weni­ger Wiederholungen; Unterschiede in der Muskelgröße lägen teils bei ~5 %, während Entzündungsmarker und Kraft günstig aussähen. Rund 20 % reagierten mit Magenempfindlichkeit – an solchen Tagen pausiert er schlicht.

Berberin nennt er das „Arme-Leute-Metformin“: Mechanistisch ähnlich (AMPK), mit Tierdaten und kleinen Humanstudien zur Insulinsensitivität; oft sind höhere Dosen nötig. Eine Wurmstudie mit verkürzter Lebensspanne erwähnt er – sie ändere aber nicht, dass Human-Daten relevanter seien.

Milder Kältereiz – keine Heldentaten

Wer jetzt an tägliche Eisbad-Rituale denkt, den bremst Sinclair: Ihm geht es um einfachen, wiederholbaren Reiz. Schlafzimmer kühl halten, moderat dünn anziehen, den Körper thermoregulieren lassen. Gemeinsam mit Ray Cronise prägte er die „Metabolic-Winter“-Hypothese: Im modernen Leben sind wir fast nie hungrig oder kalt; ein leicht kühler Schlaf jede Nacht erhöht den Energieverbrauch ein wenig – und die Summe macht’s.

Die Mondmission: Wieder sehen

Am weitesten in die Zukunft reicht der Teil über das Auge. Sinclair berichtet von einer Arbeit, in der ein kleines „Menü“ an Transkriptionsfaktoren die epigenetische Uhr in Retinaneuronen von Mäusen zurückdrehen und Sehkraft wiederherstellen konnte. Der Ansatz läuft als Gentherapie: eine einmalige Injektion in die Netzhaut, dann über 4–8 Wochen steuerbar mit Doxycyclin. In Mäusen hielt der Effekt Monate an; bei Nachlassen könne man ihn erneut anschalten. Als nächster Schritt wurden Sicherheitsstudien an Primaten und schließlich erste Patientinnen und Patienten skizziert. Fernziel: eine Pille, körperweit, vielleicht alle paar Jahre – ein periodischer „Reset“.

„Wir verjüngen Zellen, indem wir ihnen beibringen, die Gene wieder korrekt zu lesen … In Mäusen sehen Blinde wieder. Ich sehe keinen Grund, warum das beim Menschen nicht funktionieren sollte.“

— David A. Sinclair

Messen, dann handeln

Über allem steht für Sinclair: Daten statt Dogmen. Er spricht von rund 45 Messgrößen, nutzt zeitweise Glukosesensoren und betont, dass sein eigenes Protokoll keine Schablone für alle ist. Der praktische Kern bleibt bodenständig: Essen seltener, bewegen regelmäßig, kühl schlafen – und messen, was sich wirklich verbessert.

„Gib dein Bestes – aber geh nicht auf Null von heute auf morgen. Harte Diäten scheitern fast immer.“

— David A. Sinclair

Fazit

Strippt man den Hype ab, bleibt eine klare Betriebsanleitung: Schütze den „Player“, der deine Gene liest. In der Praxis heißt das zeitlich gebündeltes Essen, gezielte Pulse aus Fasten, Bewegung und milder Kälte, Treibstoff für Reparaturen (NAD⁺-Wege – mit morgendlichem Timing) und konsequentes Messen, um herauszufinden, was dir tatsächlich nützt. Sinclair trennt persönliche Praxis von Allgemeinempfehlungen – und bleibt bei einer nüchternen Wette: Verlangsame die Uhr, und die großen Alterskrankheiten rücken gemeinsam nach hinten.

Bibliografie

  • Huberman Lab Podcast:The Biology of Slowing & Reversing Aging“ – Gespräch zwischen Andrew Huberman und David A. Sinclair. (Alle Zitate und Angaben in diesem Artikel stammen aus dem bereitgestellten Transkript dieses Interviews.)

Hinweis: Dieser Artikel fasst Aussagen aus dem Interview zusammen und stellt keine medizinische Beratung dar. Entscheidungen zu Medikamenten oder Nahrungsergänzungen bitte individuell ärztlich abklären.

 

Wichtiger Hinweis (Haftungsausschluss): Die Inhalte dieses Artikels dienen ausschließlich der allgemeinen Information und ersetzen keinesfalls eine ärztliche Beratung, Diagnose oder Behandlung. Bevor Sie irgendwelche Änderungen an Ernährung, Fasten, Training, Schlaf, Lebensstil oder an der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln (z. B. NMN/NR, Resveratrol, Berberin) oder Medikamenten (z. B. Metformin) vornehmen, konsultieren Sie unbedingt Ihre Ärztin/Ihren Arzt oder eine andere qualifizierte medizinische Fachperson. Treffen Sie keine gesundheitlichen Entscheidungen allein auf Grundlage dieser Inhalte. Bei bestehenden Erkrankungen, Schwangerschaft/Stillzeit, gleichzeitiger Medikation oder akuten Beschwerden holen Sie bitte vorab medizinischen Rat ein; in Notfällen wenden Sie sich umgehend an den Notruf. Der Autor/Verlag übernimmt keine Haftung für Schäden, die aus der Nutzung der bereitgestellten Informationen entstehen.

 

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